Zu Besuch beim Staubsammler

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Staub als Kunstobjekt

Was Menschen für gewöhnlich als „Schmutz“ bezeichnen, fasziniert ihn. Wolfgang Stöcker sammelt Flusen, Wollmäuse und andere Archivalien aus Staub. In seinem 2004 gegründeten ersten „Deutschen Staubarchiv“ finden sich mittlerweile rund 500 Proben.

In den Aktenordnern von Wolfgang Stöcker ruhen die Pyramiden aus Gizeh neben dem Vatikan und dem Kölner Dom. Genauer gesagt: Staubpartikel aus diesen und anderen großen Bauwerken der Welt sind dort archiviert, denn der Kölner Künstler ist Staubsammler.

Spuren von Baudenkmälern im Kunststoffbeutel

Bickendorf, im Nordwesten von Köln: Stöcker sitzt an seinem selbstgezimmerten Schreibtisch und holt einen Aktenordner hervor. „Die Fluse aus dem Petersdom, die wurde während der Papstmesse entnommen“, sagt er stolz über das kleine Gefäß mit Staub, das in einer Klarsichthülle steckt. „Und hier, ein Stück chinesischer Mauer“, ein paar Blätter weiter zeigt er auf die Staubkörner sowie die Fotos vom Fundort. Auch die Akropolis und die jordanische Wüstenstadt Petra sind hier abgeheftet sowie Staub vom Platz des Himmlischen Friedens in Peking. „Der ist sehr selten“, kommentiert er. Die jüngsten Stäube hat er in Rom entnommen.

Jeder einzelne Staubfang wird für die Sammlung „ordentlich“ in einem kleinen Kunststoffbeutel verpackt, daneben werden auf einem selbst entworfenen Archivblatt Randnotizen zum Fundort dokumentiert, so etwa Datum und Uhrzeit sowie ein Foto vom Bauwerk oder der Stelle der gefundenen Fluse. „Manchmal schreibe ich auch das Wetter auf oder klebe im Fall von Museen oder großen Denkmälern die Eintrittskarte mit aufs Blatt“, erzählt er.

Staubsammler glas

Danach sortiert er die Probe in eine seiner sechs Kategorien ein: Es gibt sakrale Stäube aus Kirchen, kulturelle Stäube aus Museen und politische Stäube von Orten der politischen Macht. Aus Weinkellern stammen die meisten seiner kulinarischen Stäube, denn hier sei Staub offenbar gewünscht, da Alter und Verstaubung hier eine gewisse Bedeutung haben, meint er. Weitere Rubriken bilden die musikalischen und naturräumlichen Stäube.

„Staub ist ein treuer Begleiter und völlig konsequent“

Unterstützt wird Stöcker derzeit von zehn ehrenamtlichen „Staub-Scouts“, wie er sie nennt, sowie von weiteren Interessierten, denen er auf Anfrage das kleine Staubfängertütchen sowie ein Formular mit den wichtigsten Angaben zuschickt. Entnommen werden die Staubproben in Ritzen, Ecken sowie auch mal mitten auf dem Fußboden. Staub ist überall. „Ein treuer Begleiter und völlig konsequent. Er taucht auf der Mona Lisa genauso auf wie auf einem billigen Postkartendruck auf“, sagt er. Das habe etwas von Demokratie.

Aber nicht alles, was Staub ist, muss aufbewahrt werden. Erst der Fundort entscheidet über die Kunst und den Weg ins Archiv: „In der Gerhard Richter Ausstellung entdeckte ich zum Beispiel eine große Fluse, so eine perfekte Wollmaus. Ich habe begonnen sie einzumessen, sie zu fotografieren, die Uhrzeit, das Wetter und weitere Details zu dokumentieren. Im Anschluss stellte ich dann beides gegenüber: Das große Werk und das kleine, und fächerte einen ganz neuen Kosmos auf“, erzählt er. 
Besonders gefällt ihm die Gegenüberstellung von Wertvollem mit scheinbar Nutzlosem wie dem Staub. „In dem Moment, wo die riesige Bedeutung da ist, die in Bauwerken und Kunstwerken steckt, und diese auf etwas trifft, das sich mit dem Gegenteil beschäftigt, entsteht etwas sehr Skurriles“, sagt er. Denn Staub sei, so Stöcker, der totale Gegenpol von unseren inszenierten Welten.

Vorteil von Staub: Er ist geruchsfrei und platzsparend

Angefangen hat die Staubsuche vor 14 Jahren: „Ich habe mich gefragt, wie ich Geschichte und Kunst zusammenbringen kann. Dann kam mir die Idee mit dem Archiv“, erzählt er. „Das klingt so bedeutungsvoll und hebt die Dinge, die darin gesammelt werden, gleich auf eine andere Höhe.“

„Bei mir war am Anfang ein Augenzwinkern dabei. Ich wollte wissen, was passiert, wenn ich Verantwortliche von berühmten Bauwerken anschreibe, mir eine Staubprobe zu schicken“, erinnert er sich. „Die Reaktionen waren amüsant.“ So trafen, an sein Deutsches Staubarchiv adressiert, schon in kurzer Zeit die ersten Flusen ein. Andere Absender baten ihn in Briefen, denn Sinn und Zweck des Staubsammelns zu erläutern. „Ich habe angefangen, mehr und mehr über Staub nachzudenken. Zum Beispiel darüber, was es heißt, dass wir Staub immer beseitigen“, erzählt er.

„Rein von der Form sind es schöne, kleine ästhetische Welten“

Hin und wieder legt Stöcker auch ein Staubknäuel unter ein Mikroskop. „In Flusen findet man schöne Violett- und Blautöne. Wenn man Staub rein von der Form anschaut sind es schöne kleine ästhetische Welten“, sagt er. Man muss nur den Fokus wechseln. Dazu lädt er auf seine temporären Ausstellungen ein, für die er u. a. Staubproben mit Wachs zu kleinen Reliquienscheinen formt. Die nächste findet im Museum Burg Posterstein in Thüringen vom 19. Mai bis 18. August 2019 statt. In Köln bietet er auch so genannte „Staub-Spaziergänge“ durch die Stadt an. Online ist ein Teil der Staubsammlung auf der Seite deutsches-staubarchiv.de zu finden.

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